Zivilgesellschaftliche Einbindung ermöglicht qualitativ hochwertige Prüfungen in Krisenzeiten: Perspektiven der US-amerikanischen ORKB
Autor: Gene L. Dodaro, Leiter der US-amerikanischen ORKB
Oberste Rechnungskontrollbehörden (ORKB) erkannten in den letzten Jahren zunehmend den Nutzen zivilgesellschaftlicher Einbindung, um die Rechenschaftspflicht der Regierungen sowie die Qualität ihrer eigenen Prüfungen zu steigern. Obwohl wir die Zivilgesellschaft regelmäßig in unsere normalen Arbeitsabläufe einbeziehen, war dies zu keinem Zeitpunkt wichtiger als während weltweiter Notlagen, wie der COVID-19-Pandemie, die wir alle seit nun bald drei Jahren durchleben.
Dem GAO, der US-amerikanischen ORKB, kommt bei der Kontrolle der COVID-19-Maßnahmen der US-amerikanischen Bundesregierung eine wichtige Rolle zu. Seit Beginn der Pandemie genehmigte unsere Regierung über zahlreiche Bundesbehörden und gesellschaftliche Sektoren hinweg Notausgaben in Höhe von USD 4,6 Billionen. Von 1. März 2020 bis 5. August 2022 gab das GAO 174 damit in Zusammenhang stehende Produkte heraus und lieferte somit eine Echtzeit-Kontrolle der erwähnten Mittel.
Bis zum 30. September 2022 hatte das GAO insgesamt 368 Empfehlungen zur Verbesserung der pandemiebezogenen Tätigkeiten der US-Bundesregierung ausgesprochen. Zu diesen Empfehlungen zählen Verbesserungen in Bereichen wie der öffentlichen Meldung von COVID-19-Impfdaten in Pflegeheimen und der gezielten Impfansprache von Veteraninnen und Veteranen. Bis September 2022 wurden von den Behörden 37 Prozent dieser Empfehlungen zur Gänze oder teilweise umgesetzt. Genauer gesagt setzten die Behörden 26 Prozent zur Gänze (94 Empfehlungen) und weitere 11 Prozent teilweise (42 Empfehlungen) um.
Im Zuge dieser Tätigkeit erhoben wird durch Interviews Informationen von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie der Öffentlichkeit, um aus erster Hand Erkenntnisse über Programme, Teilnehmende und Ergebnisse zu gewinnen. Wir zeigten ebenfalls Verbesserungspotenzial bei Leistungen für Schlüsselmitglieder der Gesellschaft, die zu den von der Pandemie am härtesten Getroffenen gehören, auf. Zu ihnen zählen ältere Menschen, Militärveteraninnen und -veteranen, Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, psychisch kranke Menschen, Arbeitskräfte sowie Einrichtungen des Gesundheitswesens und Individuen, die Einkommensausfällen gegenüberstehen.
Für unsere Berichte mit Pandemiebezug führten wir Interviews mit folgenden Akteurinnen und Akteuren durch:
- Nationalen Organisationen, die Pflegeheime, deren Bewohnerinnen und Bewohner sowie deren Familien vertreten, zusammen mit auf Infektionskontrolle in Pflegeheimen spezialisierten Forscherinnen und Forschern, um Wege zu finden, die Bedingungen in Pflegeheimen zu verbessern.
- Beamtinnen und Beamten der „National Association of State-Level Veterans’ Homes“ (dt. etwa „nationale Organisation der bundesstaatlichen Veteranenheime“), um Verbesserungsvorschläge für die Prüfungen von Veteraneneinrichtungen zu unterbreiten.
- Interessenvertretungen von K-12-Englischlernenden (vom Englischen „English Language Learner“ kurz ELL) sowie von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen, die während der Pandemie Fernunterricht in Anspruch nahmen. Dazu zählten Organisationen für Pädagoginnen und Pädagogen, Mitarbeiterinnen und -arbeiter der Schulverwaltung sowie der Verwaltung von Sonderausbildungsprogrammen. Ziel war, die Beschaffenheit des Fernunterrichts für diese Gruppen zu bewerten.
- Vertreterinnen und Vertretern von Organisationen, die als Interessenvertretung, Schulungs- und Forschungseinrichtungen im Bereich Kinder- und Jugendschutz fungieren, um die Herausforderungen für Kinder- und Jugendschutzbehörden während der Pandemie zu bewerten.
- Public-Health-Expertinnen und -Experten sowie Stakeholdergruppen, die über 100.000 auf bundesstaatlicher oder lokaler Ebene tätige Public-Health-Beamtinnen und -Beamte vertreten, nationale, regionale und gemeinschaftlich geführte Labors sowie Labors des Gesundheitssystems, Pflegeheim-Personal, Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegerinnen und Pfleger im Rahmen unserer Überprüfung der COVID-Test-Leitfäden.
- Interessengruppen im Bereich Public Health, Organisationen für Ernährungshilfe und Lebensmittelhändlern, um die Auswirkungen der Pandemie auf Ernährungshilfeprogramme zu verstehen.
- Organisationen, die Dienstleister im Bereich psychische Gesundheit vertreten, um die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit zu bewerten. Zudem prüften wir die Daten einer Haushaltsbefragung und Informationen zu Anrufen von Bürgerinnen und Bürgern bei Notfall-Hotlines.
- Staatlichen Partnerinnen und Partnern für die Ansprache von Rentnerinnen und Rentnern, Interessenvertretungen im Bereich Ernährung, Zusammenschlüssen von gemeinnützigen Organisationen und Interessenvertretungen im Bereich soziales Wohnen, um Verbesserungsvorschläge zu Konjunkturzahlungen an Individuen zu unterbreiten.
Das GAO bindet externe Stakeholder auch bei der Gewährleistung von Rechenschaftspflicht ein, indem es diesen Parteien ermöglicht, Verdacht auf Betrug, Verschwendung oder Missbrauch von staatlichen Mitteln über eine Hotline (FraudNet) zu melden. Im Finanzjahr 2022 erhielten wir über FraudNet beispielsweise 607 Beschwerden, die sich ausdrücklich auf COVID-19-Soforthilfe bezogen.
Auf der Grundlage der während der COVID-19-Pandemie gemachten Erfahrungen werden wir die Zivilgesellschaft auch weiterhin in unser übriges Tätigkeitsfeld miteinbeziehen. Wir verfügen über ein offizielles Verfahren zur Ermittlung relevanter Stakeholder, u. a. zivilgesellschaftlicher Organisationen, die Einblicke in verschiedenste Sichtweisen gewähren und so wichtigen Kontext für die Gestaltung sowie Durchführung unserer Prüfungsvorhaben bieten.
Unter anderem stellen wir all unsere nicht vertraulichen Berichte sowie die Datenbank der noch nicht umgesetzten Empfehlungen auf unserer öffentlichen Website zur Verfügung. Wir binden mehrere Beratungsgremien sowie das „Center for Strategic Foresight“ (dt. etwa „Zentrum für strategischen Weitblick“; kurz CSF) des GAO über gemeinsame Treffen ein. Dadurch erhalten wir hervorragenden Input von verschiedensten außenstehenden Expertinnen und Experten. Diese gewähren wichtige Einblicke in die gesamte Palette der Entwicklungen über entscheidende Bevölkerungsgruppen hinweg, u. a. die akademische Welt, Think Tanks, gemeinnützige Organisationen und die öffentlichen sowie privaten Sektoren.
Ich freue mich über die Gelegenheit, unsere Perspektiven und Erfahrungen bezüglich der Bedeutung zivilgesellschaftlicher Einbindung für die Verbesserung von Prüfungen während nationaler und globaler Notlagen wie der COVID-19-Pandemie teilen zu dürfen. Die Zusammenarbeit mit einer breiten Palette an zivilgesellschaftlichen Gruppen und wichtigen Stakeholdern unterstützte uns dabei, unsere Mission, die Leistungsfähigkeit der US-Bundesregierung zu steigern sowie einen Beitrag zur Gewährleistung von Rechenschaftspflicht im öffentlichen Sektor zu leisten, zu erfüllen. Wir freuen uns darauf, weiterhin Wissen sowie andere Vorgehensweisen mit der INTOSAI-Gemeinschaft zu teilen.